Weißfrauen Diakoniekirche Frankfurt > Konzeption.

Warum brauchen wir eine Diakoniekirche?

In seinem Sermon von den guten Werken aus dem Jahr 1520 schreibt Martin Luther kritisch über die Werke, die die Menschen für gut halten, dass das Entscheidende im Handeln des Menschen der Glaube ist, der ihn trägt und aus dem heraus er sein Leben gestaltet.

„5. In diesem Glauben werden alle Werke gleich, sodass eins wie das andere ist; aller Unterschied unter den Gewerken fällt dahin, sie mögen groß oder klein, kurz oder lang, viel oder wenig sein. Denn die Werke sind nicht als solche um ihrer selbst willen, sondern um des Glaubens willen wohlgefällig.“

Seiner Ansicht, den Glauben als entscheidendes Kriterium zur Beurteilung und letztendlich Gleichstellung alles menschlichen Handelns in seinem Tun herauszustellen, folgt Luther mit Weiterem:

„Wenn ein Christenmensch in seinem Glauben lebt, braucht er niemand, der ihn gute Werke lehren müsste, sondern, was an ihm kommt, das tut er und alles ist wohlgetan. So sagt S. Samuel zu Saul (1.Sam 10, 6 ff): Du wirst ein anderer Mensch werden, wenn der Geist in dich kommt; dann tue, was an dich kommt; Gott sei bei dir.“

Im sozialen Handeln der einzelnen Arbeitsfelder des Diakonischen Werkes wissen wir uns mit dem was wir tun auf einem guten Weg. Die Werke, die wir professionell und ehrenamtlich
leisten, sind auch als Werke der christlichen Nächstenliebe zu verstehen und sind damit Ausdrucksformen der evangelischen Kirche.

Die Dimensionen, die Luther in seinem Sermon von den guten Werken anspricht, ist zwar vom Anspruch her in unserem diakonischen Handeln mit gegeben, aber in letzter Konsequenz sind die Einrichtungen zunächst nicht dazu gedacht und auch nicht dazu ausgestattet, die spirituelle Ebene der Vermittlung oder des Darstellens der aus dem Glauben heraus getanen Werke zu dokumentieren und auszuformen.

Weißfrauen Diakoniekirche eröffnet uns die Möglichkeit, die Sinnhaftigkeit diakonischen Handelns als eigenständiges evangelisches Profil und Ausdrucksform dieses Glaubens zu gestalten. Jenseits der Zwänge von Finanzierungsformen, Auslastungsquoten, Klientenbetreuung kann die Diakoniekirche als geistliches und diskursives Zentrum den Anspruch erheben, die Rückkopplung des diakonischen Handelns auf die Kernaussagen des Christentums zu leisten.

Spiritualität, Bildung, Diskurs und Kultur bekommen mit der Diakoniekirche einen anregenden Ort, unmittelbar und nah im Handlungsfeld eines Diakoniezentrums. Weißfrauen Diakoniekirche liegt mitten im Diakoniezentrum WESER5. Für die evangelische Kirche entsteht hier zwischen Bahnhof und Banken eine einmalige Chance, diakonisches Profil in der christlichen Tradition und im Kontext der evangelischen Auslegung und Bedeutung dersogenannten guten Werke im Sinne Luthers darzustellen.

Was treibt eine Diakoniekirche?

Die Diakoniekirche wird den Menschen als soziales Wesen in seinem gesellschaftlichen Kontext thematisieren. Das Diakonische Werk für Frankfurt nutzt die Weißfrauenkirche für
Diakoniegottesdienste, Sozialvorträge, Sozialdebatten und Sozialkongresse, bei denen das Soziale in Frankfurt zur Sprache kommt. Außerdem wird die Diakoniekirche zum Informationszentrum: Interessierte Besucherrinnen und Besucher bekommen Informationen über die Arbeit der diakonischen Einrichtungen in Frankfurt am Main.

Mit Weißfrauen Diakoniekirche haben Sozialarbeit und geistliches Leben, Glaube und soziale Frage, die Zukunft des Städtischen und die Gegenwart Gottes ein gemeinsames Dach und
einen anregenden Ort. Der Versuch, hier ein Dach zu bilden, ist im Kontext eines Hilfezentrums für Wohnsitzlose eine entscheidende Herausforderung für die evangelische Kirche in Frankfurt. Gerade an diesem Ort mitten im Bahnhofsviertel, der von manchen Stadtbewohnern als Ort der Versuchung gesehen wird, besteht die Möglichkeit, einen Ort der Umkehr und der Hoffnung zu gestalten.

Wir trauen protestantischer Kultur zu, dass sie trägt, den Kontext aushält und dass sie prägt. Im Vertrauen auf diese protestantische Kultur und überraschende Ergebnisse ist hier die
Beteiligung unterschiedlicher kirchlicher und gesellschaftlicher Öffentlichkeiten wesentlicher Bestandteil des Konzeptes. Die Veranstaltungen der Diakoniekirche verstehen sich als ein
Dialogbeitrag evangelischer Kirche in der säkularen Großstadt. Und Weißfrauen Diakoniekirche wird Menschen begleiten, die im Diakoniezentrum WESER5 Hilfe suchen und geben.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diakonischen Werkes haben hier ihren Ort der Stärkung und Vergewisserung. Gemeindegruppen können sich hier zum Thema Nächstenliebe anregen
lassen und sich über die Arbeit des Diakonischen Werkes informieren. Und Bewohnerrinnen und Bewohner der Stadt werden eingeladen und beteiligt, um mit ihnen die Herzen für den
Zusammenklang sowie die Dissonanzen zwischen Sozialem und Kultur, Stadt und Religion zu öffnen.

Die fünf Programmformate der Weißfrauen Diakoniekirche:
Aktionswoche, Diakoniegottesdienst, Nachtmahl, Diakonie Dialoge, Nachtklub.

Aktionswoche. Das Diakonische Werk für Frankfurt hat vier Arbeitsfelder: Sozial handeln – diakonische Beiträge zur Förderung der sozialen Stadt, Selbstbestimmtes Leben mit Behinderung, Gesundheit und selbstbestimmtes Leben im Alter, Kindertagesstätten. In der Diakoniekirche haben diese Arbeitsfelder in der Aktionswoche einen anregenden Ort, um mit Diakoniegottesdiensten, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Fachforen und Workshops ihre diakonische Arbeit vor- und darzustellen und mit der kirchlichen und
städtischen Öffentlichkeit einladend zu kommunizieren. Und die hauptamtlich und ehrenamtlich Mitarbeitenden in diesen diakonischen Arbeitsfeldern werden vom Diakoniepfarrer zu Gottesdiensten und Veranstaltungen eingeladen. Eine Aktionswoche wird in der Regel zwei bis dreimal im Jahr in der Diakoniekirche veranstaltet.

Diakoniegottesdienst. Besondere Gottesdienste im Advent, an Weihnachten, in der Passionszeit, zu Ostern und Pfingsten entwickeln das Profil der Diakoniekirche. Hier hat der Diakoniepfarrer für Frankfurt ein spezifisches Handlungsfeld, um Hilfesuchenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Diakonie, Bewohnerrinnen und Bewohnern des
Bahnhofsviertels und auch der ganzen Stadt, Interessierte an der diakonischen Arbeit in
Frankfurt einzuladen und anzusprechen.

Nachtmahl. In einer Zeit differenzierter und zum Teil gegensätzlicher Lebenswelten entsteht in unserer Little Big City immer häufiger die Erfahrung von Andersheit, von Fremdheit. Andererseits ist in manchem Gespräch vom Wunsch nach Orten der unvoreingenommenen Begegnung zu hören. Weißfrauen Diakoniekirche ist ein Ort praktizierter Gastgeberschaft zwischen Bahnhof und Banken: An einen Tisch vertraute und fremde Menschen in die Diakoniekirche einzuladen, ist eine Praxis, die vergegenwärtigt, dass wir Menschen von Gott gewollte Gäste auf dieser Erde und in dieser Stadt sind. Der besondere Ort von Weißfrauen fordert uns heraus, mit jedem neuen Schritt die Gegenwart Christi und seinen Zuspruch von Erlösung und Vergebung immer wieder zu aktualisieren.

Diakonie Dialoge. Neben dem Darstellen von diakonischen Handlungsfeldern wird weiterhin die Positionierung von sozialen Themen zu den Aufgaben der Diakoniekirche gehören. Auch der Themenkomplex „Diakonie der Religionen“, der beim Diakonischen Werk für Frankfurt bereits einen hohen Stellenwert hat, findet in diesem Veranstaltungsformat seinen geeigneten Ort.

Nachtklub. Weißfrauen Diakoniekirche wird zum Laboratorium für soziale und kulturelle Positionen: Die Zukunft des Städtischen ist nicht ohne die soziale Frage und den Dialog der Religionen zu denken. Vielfältige Äußerungsformen haben hier besonders am Freitagabend ihren Raum. Neue Themenkonstellationen können hier erprobt werden.  Weißfrauen ist ein anregender Ort für Menschen, die am Dialog zwischen Kultur und Sozialem interessiert sind. Die Nacht im Bahnhofsviertel verleiht der Klage, dem Schmerz, der Hoffnung und der Fürbitte leise und laute Stimmen. Die Tradition der Taizé-Gebete in Weißfrauen hat in diesem Format ihren Platz.

Pfarrer Dr. Michael Frase und Gerald Hintze, Mai 2005

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